Endlich ist sie da, die langersehnte Phase Fünf des MCU. Viele kritische Stimmen zeichnen ein schlechtes Bild von Phase Vier, die mit “Black Widow” begann und seit dem Sieg über Thanos in “Avengers: Endgame” über keinen Bösewicht mehr verfügte, der als ein verbindender ultimativer Schrecken herhalten konnte. Jeder Film schien ein eigenes Süppchen kochen zu wollen und niemand vermochte einen roten Faden zu entdecken. Nun jedoch hat das Warten ein Ende.

von unserem neuen Autor Richard Potrykus

Mit “Ant-Man and the Wasp: Quantumania” betritt seit dem 16.02.2023 Kang (Jonathan Majors) in 3D die aufpolierten Kinoleinwände. Das aufmerksame Publikum mit einem Disney+-Konto hatte bereits das Vergnügen, die Figur kennenzulernen, die in der Serie “Loki” ihr Debut gab. Kang, der Eroberer, dessen Schreckensherrschaft soll bis zum Ende von Phase 6 anhalten. Dies ist freilich kein Spoiler. Auf Pressekonferenzen der Länge nach ausgebreitet, ist der Plan für das MCU hinlänglich bekannt, und so ist jedem Menschen im Publikum bewusst, dass Kang im neuen “Ant-Man” nicht besiegt werden wird.

“Ant-Man and the Wasp: Quantumania” setzt ein paar Jahre nach den vorherigen Ereignissen ein. Scott (Paul Rudd) ist allgemein bekannt als Ant-Man und genießt seine Beliebtheit. Sein Leben scheint perfekt zu verlaufen, sogar ein autobiografisches Buch hat er schreiben können. Es herrscht scheinbar ein Familienidyll. Tochter Cassie (Kathryn Newton), wie die meisten Figuren im MCU eine Expertin für komplexe Technologien, hat einen Apparat entwickelt, mit dem es möglich ist, einen Kontakt zur Quantenebene herzustellen. Janet (Michelle Pfeiffer), die sich seit ihrer Rückkehr aus jener Quantenebene weigert, über ihre Erlebnisse zu sprechen, missfällt diese Apparatur und zieht kurzerhand den Stecker. Zu spät, wie sich herausstellen wird. Der Kontakt wird von selbst wiederhergestellt, woraufhin alle Beteiligten (neben Scott, Cassie und Janet, sind auch Hank (Michael Douglas) und Hope (Evangeline Lilly) zugegen) auf die Quantenebene gesaugt werden. Dort begegnen den Figuren einer gänzlich neuen Welt. Ganze Vegetationen und Zivilisationen existieren und bereichern und bedrohen die Existenz der Gruppe und schon bald kündigt sich Kang an und der typische Marvel-Überlebenskampf bricht los.

Wie schon im Vorgänger scheint Regisseur Peyton Reed nicht so recht zu wissen, in welche Richtung er den Film lenken soll. Er beginnt mit einer Art Familien-RomCom-Atmosphäre und einem Ich-Erzähler, ergänzt das Ganze dann um den Faktor Science-Fiction und taucht schließlich in die fantastische Welt der Quantenebene ein. Neue Welten werden aufgetan. Verspielt und detailliert folgt die Kamera den Figuren auf ihrer Odyssee durch das ungewohnte Umfeld.

Die Bilder sind dabei schön anzuschauen, auch mit den Größenunterschieden, die im Ant-Man-Kosmos eine wichtige stilistische Rolle spielen, weiß das Team umzugehen. Es gibt eine Menge merkwürdiger Pflanzen und Tiere: Gigantische Pantoffeltierchen werden zur tödlichen Gefahr und Wesen, die an Rochen erinnern, zu majestätischen Reittieren. Dann betreten auf einmal eine Vielzahl vernunftbegabter Wesen die Szenerie. Sie sehen sonderbar aus, wohnen in Häusern, die leben, und kommunizieren in unbekannten Sprachen.

Immer wieder führen glückliche Zufälle dazu, dass die Figuren, die all dem heillos ausgesetzt sind, unbeschadet von Situation zu Situation gelangen. Und das müssen sie auch, denn Janet, die sich auf der Quantenebene bestens auskennt, weigert sich beharrlich, Informationen zu liefern, egal, wie oft sie darum gebeten wird. Ihr Schweigen soll wohl das Mysterium um Kang unterstützen, der zwar schon spürbar, aber noch immer nicht zu sehen ist. Die Gefahr, die nicht ausgesprochen werden soll – Hashtag HarryPotter.

Schließlich tritt der Antagonist doch ins Bild und beweist sich als die Stärke des Films. Kang ist keine vielschichtige Figur. Er ist funktionell angelegt und böse, weil er böse sein muss. Es ist aber Majors’ Präsenz, die für die fehlende Komplexität entschädigt. Er ist in seiner Statur wuchtig und pflegt einen Gesichtsausdruck, der von Ekel über Arroganz und Boshaftigkeit bis hin zu wahnsinniger Selbstherrlichkeit reicht. Mit seiner Physis nimmt er die ganze Leinwand ein. Und dann sind da noch zwei Narben, die senkrecht über sein Gesicht verlaufen und ihn bei rechtem Lichteinfall stets so erscheinen lassen, als sei er auch verzweifelt und weine.

Leider ist sich “Ant-Man and the Wasp: Quantumania” weder in seinem Erzählstil, noch in seiner visuellen Inszenierung einer konkreten Identität bewusst und so muss Janet in einem längeren Monolog erklären, wer Kang ist und warum er dort ist, wo er ist. Und wer es nicht gleich verstanden hat, braucht nur zu warten. Gerne wird die Sache mit dem Multiversum, der Zerstörung und der Vielzahl von Präsenzen noch einmal erklärt. Und dann noch einmal. Man weiß ja nie, ob nicht doch noch ungeklärte Fragen im Raum stehen.

Mit Kangs Erscheinen verändert sich auch wieder das Setting. Der Film verabschiedet sich von einer fantasievollen Natur und präsentiert nun eine imperiale Großstadt, mit viel Technologie und noch mehr Beton. Schon beim Ritt auf dem Rochen konnten Liebhaber*innen gepflegter Science-Fiction eine “Dune”-Referenz erkennen, und nun ist es ganz klar “Star Wars”. Zugegeben, es sieht amtlich aus und die Schauwerte sind zweifellos da, aber es mangelt dem Film einfach an einer eigenen Identität.

Zum Glück kommt es schließlich doch noch zum großen Endkampf. Wenn sich Marvel auch sonst keine Mühe gibt, auf das finale Battle ist in jedem Film Verlass. Normalerweise. Denn auch hier lässt Reed kaum ein Fettnäpfchen aus, unterbricht Kampfszenen immer wieder mit unlustigen Sprüchen und zerstört Dynamiken durch behäbiges Stapfen bei Übergröße. Und so einfallslos, wie so vieles im Film, ermöglicht das Drehbuch schließlich einstweilen eine Lösung des Konflikts.

Fazit:

“Ant-Man and the Wasp: Quantumania” hat anständige Schauwerte und hat auch seine Berechtigung, sofern der Film als ein Prolog für Kang gesehen wird. Doch als eigenständiger Film ist er unterdurchschnittlich, da es ihm einfach an einer visuellen Strategie und einem grundlegenden stilistischen Konzept mangelt.

Bewertung:

Bewertung: 6 von 10.

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Bilder: © 2023 MARVEL